Elisabeth Mayr-Keber Selbstportrait 2017

Digitale Fotokunst

Elisabeth Mayr-Keber lebt und arbeitet in Wien.

Eigene Worte

Text von Mag. Mag. Martin Kerschbaumer [Philosoph]

1947 Geboren in Waiern/ Kärnten
1965–1967 Ausbildung zur Fotografin für Architektur und Industrie
Studiofotografie bei H.J. Abuja in Klagenfurt
Berufsschule/ Gesellenprüfung HK-Klagenfurt
1969–1973 Pressefotografin für Kärntner Tageszeitungen und ORF
1973 Eheschließung mit Gert M. Mayr-Keber
1975 Ausstellung Galerie Hildebrand Klagenfurt "FOTOMALEREI"
1978 Geburt Tochter Franziska
1981 Geburt Tochter Johanna
1979– Tätigkeit als Fotografin im Atelier Gert M. Mayr-Keber, Wien
Architekturfotografie für Buchpräsentationen und für internationale Publikationen und Ausstellungen
2010– Digitale Fotokunst

Eigene Worte

Schon in meiner Jugend, ich bin dem kleinen Dorf Waiern in Kärnten aufgewachsen, war der Wald mein Kinderzimmer, und ich habe das Glück, auch heute als Stadtbewohnerin jederzeit die wilde Natur aufsuchen zu können.

Wald, Wiesen, Blätter, Gestrüpp und Gestein üben seit jeher eine magische Anziehung auf mich aus, vom kleinen Detail bis zur sich ausbreitenden Landschaft. Ich will mit meinen Bildern den Charakter dieser geheimnisvollen wie prächtigen Welt erkunden, mich ihrer verborgenen Seite annähern, dabei auch das Zusammenspiel von Licht und Schatten, Motiv und Technik als Teil meiner Arbeit begreifen.

Ich habe die klassische analoge Ausbildung zur Fotografin in Klagenfurt gemacht, und schon damals hat mich die Technik der Solarisation fasziniert, eine Technik, die die Reduktion auf das Wesentliche, Flächen und Grenzen ermöglicht. Und schon damals faszinierte mich die manuelle Colarisation mit Farben.

Mit dem Einzug der Digitalfotografie hat sich auch für mich eine Welt eröffnet, die früher nicht beziehungsweise nur unter hohem Aufwand, arbeitstechnisch wie finanziell realisierbar war. So kombiniere ich die Solarisationstechnik mit der digitalen Farbkorrektur, lege vermeintlich verborgene Ebenen frei, arbeite Schicht für Schicht das Motiv heraus.

Wo finden sich scharfe Grenzlinien zwischen Motiven, wo verschwimmen die Einzelteile zu einem großen Ganzen? Welche Farbschichten haucht die Mittagssonne oder der Morgennebel einem Blatt oder einer Landschaft ein?

Ich will nicht einfach nur eine Stimmung offenlegen, sondern die Welt erkunden, wie wir sie wahrnehmen können und wie sie sich präsentiert. Mal farbenfroh und verführerisch, mal in seiner Dichte geradezu abweisend – so begegnet mir der Wald, jedes Mal ein wenig anders.

Solarisation entsteht in der Fotografie, wenn das Fotopapier oder das Negativ während der Verarbeitung nachbelichtet wird. Es führt zur Ausprägung von Kantenlinien und Konturen – eine Möglichkeit des künstlerischen Ausdrucks in der Fotografie!

In der Digitalfotografie allerdings ist die Technik der Solarisation freilich nicht anwendbar, aber durch Bildbearbeitungsprogramme werden Verfremdungsgrade möglich, die ich gerne nutze, um damit mehrere Ebenen, Schichten darzustellen.

Für mich ist die Aufnahme die kompakte Basis meiner Arbeit, die ich anschließend in der Bildebearbeitung Schicht für Schicht, Ebene für Ebene entblättere. Dabei gehe ich sehr emotional vor. Ich dringe sozusagen in meine Aufnahme ein und halte dort inne, wo ich emotional am stärksten berührt werde!

In meiner Ausbildungszeit zur Fotografin hing an der Wand im Atelier eine analoge Großvergrößerung. Es war ein Schwarzweißbild von Kieselsteinen fernab jeglicher konventioneller Bedeutung. 

Hier schließt sich der Kreis nach Jahrzehnten Architekturfotografie hin zur neuen Auffassung von Naturfotografie, die ich sehe, die mir immer ein wichtiges Anliegen war, und die ich vor allem neu zu empfinden gelernt habe.

Zu den Arbeiten von Elisabeth Mayr-Keber

Mag. Mag. Martin Kerschbaumer, Philosoph (Wien, 2017)

Simulakrum nannte der römische Dichter und Philosoph Lukrez jene kleinen Schichten, die sich unaufhörlich von allen Dingen ablösen und sie uns sichtbar machen, wenn sie das Auge erreichen. Für zwei Millennien bleibt diese atomistische Wahrnehmungstheorie physikalisch unbewiesen wie irrelevant, bis sich plötzlich in der modernen Medienlandschaft genau solche Übertragungsschichten auftun, die zwischen den Ereignissen und unserer Wahrnehmung davon stehen.

Genauso in der Fotografie: Wir müssen nicht mehr mühsam über die Chemie auf etwas hinarbeiten. Es schiebt sich eine ganze Welt an möglichen Herausarbeitungen zwischen jenen Augenblick der Belichtung und dem endgültigen Ausdruck des Bildes. Was auf diesem Weg geschieht, welche neuen Einsichten entstehen können, zeigen uns die Werke von Mayr-Keber.

Aber auch diese Welt hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten. So werden ihre Werke niemals nur verlockende Textur, indem sie auf dekorative Art den Inhalt verlieren. Sie bleiben immer im Spannungsfeld der Dialektik zwischen dem Detail und dem Ganzen, denn jedes alleine würde auseinanderfallen und im besonderen Augenmerk um Spiel und Kontrast von Licht und Schatten, denn im Schwarz und Weiß lernen wir sehen.

Fremde Seele, dunkler Wald Sichtbarkeiten eines Lebensraumes, der mehrheitlich nicht mehr der unsere ist. Im Aufspüren und Zulassen der Stimmungen entsteht ein faszinierender Akt zwischen natürlicher Romantik und dem professionellen Blick einer Fotografin. Die Natur bietet Entspannung aus genau jener Konfrontation mit intellektuellen Aussagen, die für Mayr-Keber in ihrer lebenslangen Tätigkeit als Architekturfotografin maßgeblich war.